Lautsprecherselbstbau Berlin

 

Transmissionline (TML)

Über die Transmissionline wurden schon sehr viele Beschreibungen mit teilweise widersprüchlichen Aussagen veröffentlicht. Da ist einerseits die Rede von der "Klassischen TML", die aber in der heutigen Zeit veraltet ist und daher nicht mehr angewendet werden soll, zum anderen gibt es die "Moderne TML". Dabei werden grundsätzliche Unterschiede beschrieben. Die klassische TML nutzt Chassis mit hohem Gütefaktor, während heute eher TML's mit Chassis deren Gütefaktor niedrig ist konstruiert werden. Die Verjüngung der Line, die Bedämpfung, der Einsatz von Vor- und Absorberkammer sind weitere Diskussionspunkte.
Auch zu den Vorteilen einer TML gegenüber der Bassreflexkonstruktion gibt es unterschiedliche Aussagen. Selbst erfahrene Experten meinen die TML und die Bassreflexbox (BR) unterscheiden sich nicht in ihren Eigenschaften.

Gehen wir der Sache auf den Grund. Erst 1965 wurde die Theorie der TML durch A.R. Bailey an der Bradford University veröffentlicht. Er bezeichnete das System als "Non-Resonant Enclusore Design", also um eine rückwirkungsfreie und resonanzfreie Schallführung.

Viertelwellendesign
Die Idee liegt darin, den von der Membranrückseite abgestrahlten Schall in der Phase zu drehen  und dem Nutzsignal im Tiefton hinzuzufügen. Die Länge der Line sollte 1/4 der zu verstärkenden Wellenlänge betragen.
Sowohl BR und TML verwenden dazu einen frequenzabgestimmten Resonator.  Beim Bassreflexprinzip handelt es sich um einen Helmholtzresonator. Die Luft im Reflexrohr wird durch die Federwirkung der Luft im Gehäuse angetrieben. Leider ist mit diesem Prinzip eine impulsgenaue Wiedergabe nicht möglich. Der Resonator benötigt eine Einschwingzeit und wenn das Signal aufhört schwingt der Resonator noch einige Perioden nach. 
Ähnlich verhält es sich bei der TML, allerdings bei genauer Betrachtung lässt sich erkennen, dass die Konstruktion der TML sowohl Eigenschaften von BR als auch Eigenschaften geschlossener Boxen aufweisen kann. 

Die TML als Zwischending zwischen BR und geschlossenem Gehäuse
Wie wir später bei den Prinzipien noch erkennen werden, lassen sich Tendenzen in beide Richtungen verwirklichen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil ist das resonanzfreie Gehäuse des Lautsprechers. Die Rückwelle der Line wird beinahe vollständig eliminiert. Mit der Bedämpfung läuft sich der Schall in der Line tot und wird im Gegensatz zu BR nicht wieder zur Membran reflektiert.

Einfluss der Konstruktionsprinzipen auf die Eigenschaften der TML
Wir können festhalten, es gibt kein gutes und kein schlechtes TML Design. Nach dem Prinzip "Wie bestellt, so geliefert", können wir sehr unterschiedliche Eigenschaften erzielen. Je nachdem, ob wir einen tieferen Bass, eine präzisere Wiedergabe, ein kleineres Gehäuse oder andere wünschenswerte Vorzüge haben wollen, können wir wie aus einem Baukastensystem wählen. Genau dies macht die TML für den Selbstbau so interessant. Es gibt nicht nur einen Parameter und eine Formel und fertig ist das Ding, uns steht eine ganze Bandbreite zur Verfügung.
Die folgenden Beispiele sind Simulationsergebnisse des Programms AJ Horn. Als Chassis nutzten wir beispielhaft ein 6 Zoll SB acoustics Chassis SB16PFC25-04 mit folgenden Parametern:
Fs = 35 Hz
Qts = 0,34
Sd = 124 cm2
Vas = 32,7 Liter

Bei der Berechnung der Länge der Line ist zu beachten, dass diese nicht auf Fs eingestellt wird, sondern in etwa 10 Hz darüber liegt. Es ergibt sich eine Linelänge von 1,88 m (C = Lampda x f).
Der Querschnitt der Line sollte zwischen 1,25 und 2 x Sd liegen, wir rechnen mit 240 cm2.
Zum Vergleich der TML bietet AJ Horn eine super Funktion (Mund geschlossen). Diese nutzen wir und machen aus der TML mit einem Klick eine geschlossene Box.


Frequenzgang einer geschlossenen Box 

 





Impedanzgang einer geschlossenen Box
Die Impedanzspitze bei ca. 45 Hz ist die Gehäuseresonanz.






Nun zeigen wir eine TML "Klassischer Bauart". Das Chassis befindet sich am Anfang der Line und der Querschnitt der Line bleibt über die gesamte Rohrlänge gleich.



Frequenzgang der TML mit dem typischen TML Loch.




Impedanzgang der  TML. Die Resonanzspitze bei 20 Hz bezieht sich auf die Rohrresonanz der Line. Die Impedanzspitze bei 60 Hz zeigt die Gehäuseresonanz an.
Die Abstimmfrequenz liegt bei 40 Hz am tiefsten Punkt zwischen den Impedanzspitzen, analog zu einer Bassreflexkonstruktion. Rein rechnerisch müsste die Abstimmung etwas höher liegen, jedoch bewirkt die Bedämpfung eine leichte Reduzierung der Frequenz.




Neuerdings arbeitet man mit einem Treiberversatz innerhalb der Line. Das Chassis wird bei ca. 1/3 der Linelänge platziert. Dadurch können Rohrresonanzen besser bedämpft werden. 
Weiterhin ist eine konische Ausführung sehr zweckmäßig, eine sich verjüngende Line verringert unerwünschte Obertöne. Solch eine Konstruktion könnte dann folgendermaßen aussehen.


Versuche haben übrigens gezeigt, dass die Verjüngung nicht unbedingt kontinuierlich erfolgen muss. Eine stufenweise Verjüngung hat keine Nachteile.








Und nun führen wir eine  Simulation mit einem Verjüngungsfaktor 2,5 aus.



Wie in der Zeichnung ersichtlich, liegt das Chassis nicht mehr am Anfang der Line. Gleichzeitig wurde eine Verjüngung von 1 : 2,5 berücksichtigt.








Im Ergebnis dessen liegt das TML Loch jetzt bei 320 Hz, im Vergleich zu 160 Hz bei der ersten Version. Auch die Tiefe der Amplitude des TML Lochs hat sich von 6 auf ca. 3 dB verringert. Die Erklärung ist einfach, bei höheren Frequenzen steigt die Wirkung des Dämpfungsmaterials an.




Auch beim Impedanzverlauf hat sich einiges geändert. Beide Impedanzspitzen, also die der Rohrimpedanz und die der Gehäuseimpedanz sind auf einmal gleich. Nichts unterscheidet die TML von einer Bassreflexbox. Die Vorteile der TML liegen nur im rückwirkungsfreien Einfluß auf das Chassis. Der Schall läuft sich in der Line tot, er beeinflusst die Membran nicht mit störenden Resonanzen. 




Und jetzt treiben wir es auf die Spitze. Obwohl für die Verjüngung ein Faktor zwischen 1 und 5 empfohlen wird, testen wir einfach mal den Faktor 10.





Das ist schon sehr auffällig. Der Frequenzgang und der Impedanzgang nähern sich dem einer geschlossenen Box. Die Gehäuseresonanz (große Impedanzspitze) ist gegenüber der Rohrresonanz angestiegen. Das ist so zu erklären, der breite Teil der Line, nahe dem Chassis, hat Eigenschaften einer geschlossenen Box, während durch die kleine Öffnung des Rohrmundes der Einfluss der Rohrresonanz geringer wird.
Hierin zeigt sich deutlich, dass es nicht "diese eine TML" gibt, sondern alle Schattierungen zwischen geschlossen und Bassreflex ermöglicht werden können.

Bedämpfung
Rein physikalisch bildet sich im Rohr nicht nur ein Viertel der Grundwelle ab, sondern auch die Oberwellen mit dem Faktor n = 3, 5, 7.... Diese wirken sich dann im mittleren Frequenzbereich sehr störend auf die Wiedergabe aus. Mit Hilfe von Bedämpfungsmaterial lässt sich dies unterdrücken. Die Bedämpfung wirkt jedoch nur im Bereich der Schallschnelle, also im Bauch einer Schwingung. Am Rohrbeginn liegt der Nulldurchgang der Schwingung und dieser entspricht der Druckseite der Schwingung.
Da die Schallschnelle der Grundwelle am offenen Rohrende liegt, wäre hier die Bedämpfung kontraproduktiv. Die Schallschnellen der Oberwellen verteilen sich dagegen abwechselt im Rohr.
Eine Zeichnung dazu befindet sich im Artikel von Herrn Hausdorf, Bild 3: Transmissionline - in die Röhre geguckt!

Davon können wir ableiten, die Bedämpfung ist am Anfang der Line eher kräftig vorzunehmen und auf den letzten 20 cm der Line sollte die Bedämpfung völlig entfallen.


Einfluss von Qts
Die TML Lautsprecher standen ehemals unter Generalverdacht einen schlechten Kennschalldruck aufzuweisen. Diese Aussage lies sich auch an Beispielen belegen. Daher rührt die Empfehlung ein Qts zwischen 0,4 und 0,6, sogar bis 1,0 zu wählen. Heute liegen die Empfehlungen teilweise unter 0,4.
Simulieren wir das einfach mal an einem typischen BR Chassis, sagen wir mal SB17CAC35-4.
Fs = 29,5 Hz
Ots = 0,29
Line Länge bei einer 40Hz Abstimmung = 2,12 m
Verjüngung = 2,5




Hier sieht man einen deutlichen Abfall im Frequenzgang unter 100 Hz. Bei diesem Chassis wäre man sicherlich besser mit einer BR Konstruktion bedient. Es bewahrheitet sich wieder, auch in der Lautsprecherentwicklung sind keine Wunder zu erwarten. Eine gute Konstruktion ist ohne vorherige Simulation nicht möglich.


Zusammenfassung von Konstruktionsmerkmalen

  • Abstimmung der Line 5...10 Hz über Fs des Treibers
  • Ideal ist die Chassisposition bei 1/3 der Länge der Line
  • Qts des Chassis zwischen 0,3 und 0,6 optimal, es können jedoch auch Treiber mit höherem Qts verwendet werden
  • Günstig ist eine konische Ausführung der Line mit einem Verjüngungsfaktor zwischen 1 und 5
  • Die Bedämpfung sollte in der ersten Hälfte der Line stärker ausfallen und zum Mund des Resonators schwächer werden
  • Der Querschnitt am geschlossenen Ende der Line sollte 1,25....2,0 von Sd betragen
  • Um auf die erforderliche Länge der Line zu kommen, wird der Kanal üblicherweise gefaltet



Eigenschaften der TML im Vergleich zu BR

  • Unerwünschte Resonanzen

Bei der Bassreflexbox entstehen im Mitteltonbereich unerwünsche Resonanzen (siehe Bild). Nicht umsonst werden Bassreflexrohre überwiegend seitlich oder rückwärtig angebracht. Diese Resonanzen treten in beide Richtungen  auf, einmal nach außen und zum anderen beaufschlagen diese die Membranrückseite.
Die TML weist derartige Resonanzen nicht auf. In der Line werden Rohrresonanzen effektiv im mittleren und höheren Frequenzbereich bedämpft. Ab ca. 500 Hz absorbiert das Füllmaterial der Line die Rückwelle vollständig und verleiht der TL Box einen offenen Klang.





  • TML Loch

Das sogenannte TML Loch zeigt die erste Resonanz an. Da es sich um eine schmalbandige Senke im Frequenzgang handelt, ist diese für unsere Gehör kaum wahrnehmbar. Ganz anders verhält es sich mit Überhöhungen der Amplitude des Frequenzganges, die sind sehr wohl hörbar.
Solche Senken können mit einer Absorberkammer beseitigt werden. Allerdings vergrößert sich damit das Gehäuse und aus unserer Sicht steht hier der Aufwand nicht im richtigen Verhältnis zum Nutzen.


  • Tiefton trotz hohem Qts

Chassis mit hohem Qts (ab 0,5) sind für Bassreflexboxen schlecht geeignet. Alternativ wäre eine geschlossene Box mit hohem Volumeninhalt erforderlich. Für diese Chassis ist die TML eine Lösung gute Tieftoneigenschaften zu bekommen.


  • Reduzierung der Gehäuseresonanzen

Um die Materialresonanzen des Gehäuses gering zu halten, werden häufig sehr schwere Gehäuse entwickelt. Aufgrund der einseitigen Öffnung der Line halten sich die Druckschwankungen im Gehäuse in Grenzen und damit wird die Gehäusevibration reduziert.


  • Variabilität

Wie bereits weiter oben dargelegt wurde, lässt die Konstruktion eine Annäherung an die BR Eigenschaften sowie an die Eigenschaften der geschlossenen Systeme zu. Die bei BR häufig angewandte Methode das Reflexrohr an die Rückwand zu verlegen, ist hier nicht zwingend. Somit ist kein großer Wandabstand notwendig.

  • Ideal für DIY

Die TML Boxen haben den Nachteil, dass diese aufwändiger in der Fertigung sind und durch die notwendig werdenden Schallführungen auch größer und schwerer ausfallen als vergleichbare Bassreflexboxen. Das sind Probleme, die viele Hersteller von der Produktion abhalten. Aus jedem Problem wächst aber auch eine Chance, besonders für den Selbstbau, da die TML hier nicht am Fliesband gefertigt werden muss.