Lautsprecherselbstbau Berlin

 

Subjektiv beeinflusstes Klangerlebnis

Zur Klangwahrnehmung gibt es im Internet genügend Aussagen, diese müssen wir nicht durch ein weiteres Thema aufblähen. Unbestritten ist allerdings der Einfluß der persönlichen Psychoakustik und dem wollen wir mal auf den Grund gehen.
Vielen ist nämlich unbekannt, dass es neben den optischen Täuschungen auch akustische Täuschungen gibt, die vom Wirkprinzip den optischen Täuschungen gleichen. Eigentlich ist das Prinzip sehr einfach. Wollen wir alle Informationen unserer Sinne aufnehmen und speichern, dann benötigen wir ein derart riesiges Gehirn welches nicht zu unserem Körper passt. Folglich werden nur relevante Informationen aufgenommen und zu unseren Erfahrungen gefügt. Es entsteht ein neues Bild unserer Umwelt, da die Sinneseindrücke gefiltert werden.

Ein gutes Beispiel ist das Phänomen der Tonwahrnehmung, welches das Hören eines Tons impliziert, der überhaupt nicht existiert. Spielen wir beispielsweise nur die Obertöne eines Instruimentes, hat man den Eindruck,  man würde auch den Grundton hören. Dies ist bei der Orgel oder auch bei der Mundharmonika auffällig.
Die Mundharmonika weist ein sehr starkes Oberwellenspektrum auf,
selbst die 15. Oberwelle ist immer noch größer als die
Grundwelle. Folglich ist die Grundwelle in diesem Fall nicht klangrelevant.

Siehe auch, Spektrum.de: Akustische Täuschung



Aber es gibt noch eine andere Seite der Medaille, die sich Anfangs sehr absurd anhört. Da klingen vergoldete Plattenspieler deutlich besser als die gleichen Typen ohne Goldauflage. Da klingt ein Kondensator auf einmal sehr frisch, aber auch ein bischen spitz mit betonten Mitten, aber erst nach 60 Stunden Einspielzeit klingt dieser wirklich gut.
Solche Aussagen sind technisch nicht zu erklären. Die Effekte sind eher psychologisch zu erklären, die Frage ist: Was steckt hier dahinter? Gehen wir der Reihe nach vor.


Placebo Effekt

"Als Placeboeffekt bezeichnet man in der Medizin das Auftreten einer therapeutischen Wirkung durch die Gabe von Tabletten ohne Wirkstoff." In Hörgerätestudien wurde dieser Fakt auch für den Audiobereich bestätigt. Wird ein Gerät aufgrund eines Markennamens oder eines Testergebnisses als besonders hochwertig angepriesen, dann sind Käufer überzeugt den besseren Klang wahrzunehmen.





Bestätigungsverzerrung
"Bestätigungsverzerrung ist eine Tendenz, Informationen auf eine Weise zu suchen, zu interpretieren, zu favorisieren und abzurufen, die die eigenen früheren Überzeugungen oder Hypothesen bestätigt“.
Mit diesem Thema wird man beinahe täglich konfrontiert. Einige Aussagen hören sich in etwa folgendermaßen an: Also ich habe von meinem Opa einen Lautsprecher geschenkt bekommen, der hatte einen Klang, so etwas Gutes können die Hersteller heute überhaupt nicht mehr produzieren. Leider ist die Schaumstoffsicke zerbröselt, der Lautsprecher muss aber unbedingt repariert werden, ich kann mich davon einfach nicht trennen.
Nachdem die Kunden dann den Reparaturpreis hören, hat sich die Reparatur erledigt.

Unsere Erinnerung unterliegt einer Tendenz, wir erinnern uns lieber an positive Informationen,  die unsere Wunschvorstellungen stützen, als an Informationen die gegen unsere schöne Welt sprechen.
Ein schönes Beispiel hört sich so an: "Aus Erfahrung mit Bekannten und Freunden weiß ich, daß viele, die sich endlich eine viel bessere Anlage kauften, weil sie das nötige Kleingeld beisammen hatten, nichts Eiligeres zu tun hatten, als mit Hilfe der Klangregler am Verstärker und den Lautsprechern den alten und liebgewordenen Klang-Zustand wiederherzustellen." Quelle: HiFi Museum, Der Klang subjektiv-objektiv


Die Verdeckung
Die Verdeckung wird auch als Maskierungseffekt bezeichnet. Hört man einen lauten Ton und einen zweiten leisen Ton, der in seiner Frequenz in der Nähe des lauten Tones liegt, dann kann unser Gehör den leisen Ton nicht mehr wahrnehmen. Ein Prinzip welches sich die MP3 Codierung zu nutze macht.

Im Bild ist die Wirkungsweise von Maskierungseffekten dargestellt. Ist zum Beispiel ein 1-kHz-Ton mit einem Schallpegel von 80 dB anwesend, so kann ein 2-kHz-Ton von 40 dB nicht mehr wahrgenommen werden, er kann folglich auch völlig entfallen.

Quelle Wikipedia: Maskierungseffekt







Die Schematheorie
"Schemata sind generalisierte kognitive Wissensstrukturen, die dem Menschen helfen, unbekannte Objekte/Ereignisse/... zu verstehen und entsprechend zu handeln." Quelle Wikipedia.

Die Schematheorie wurde zwar häufig untersucht, ist aber auch noch umstritten. Einfach gesagt beruht diese darauf  komplexe geistige Aufgaben mit möglichst geringem Energieaufwand zu bewältigen. Beim Kauf einer Stereoanlage oder eines Lautsprechers möchte der Kunde keine 20 Exemplare miteinander vergleichen, er hat sich bereits eine Vorstellung (Erwartungsfilter) zurecht gelegt, in dem Rahmen sich seine Entscheidung bewegen soll. Bewertungen in Fachzeitschriften und Hochglanzmagazinen sowie Markennamen und Fernsehwerbung tragen einiges dazu bei unseren Erwartungsfilter zu beeinflussen.
Neuerdings haben auch die sozialen Medien ihren Anteil an der Beeinflussung. Da benötigen Jugendliche angeblich Verstärker mit über 1000 Watt Leistung, egal wie dieser Wert erschwindelt wurde. Keiner kennt die wahren Fakten, bei technischem Verständnis müsste man wissen, dass eine 10 Watt Röhrenendstufe mit einem wirkungsgradstarken Chassis, den erforderlichen Schalldruck ebenso erreicht. 



Optik steht über dem Klang

Gegenüber dem Hören ist das Sehen unser dominierender Sinn. Ein interessantes Beispiel ist der „Bauchredner-Effekt“, bei dem ein Ton so wahrgenommen wird, als würde er von einem anderen Ort ausgehen.

"Es gibt zwar Unterschiede zwischen dem Zusehen, wie ein Player Musik spielt, und dem Zusehen, wie Geräte Musik wiedergeben, die Relevanz dieses Experiments für High-Fidelity-Audio sollte jedoch klar sein. Es wäre leicht anzunehmen, dass etwas, das hochwertiger aussieht, vor allem für Laien eine bessere Leistung bieten muss. Und wie sich bei vielen zutiefst fehlerhaften Gerätemessungen gezeigt hat, kann es bei High-End-Geräten leicht mehr um das Aussehen als um die Klangwiedergabe gehen. Mit der Erwartung einer besseren Leistung kann das Gehirn die Wahrnehmung leicht in Richtung dieses Endes neigen, und so kann glitzernde, aber schlecht funktionierende Ausrüstung unabhängig von ihren tatsächlichen Audioeigenschaften als gut klingend wahrgenommen werden." Quelle: Audioholics


Was ist zu tun?
Halten wir es einfach mal fest, Musik live im Konzertsaal und Musik aus der Heimstereoanlage sind zwei verschiedene Dinge. Es ist ähnlich einem Gemälde, das Bild stellt ein künstlerisches Werk dar und weicht von der Realität ab. Wir sollten folglich nicht versuchen das Original einzuholen, sondern das Musikerlebniss als Genuss betrachten.
Da allerdings unsere Urteilsfähigkeit zum perfekten Musikgenuss leicht manipulierbar ist, müssen wir uns eine Reihenfolge überlegen, nach dieser eine sinnvolle Auswahl von Audiokomponenten erfolgt.

Da die Hörgewohnheiten verschieden sind und der Klang subjektiv empfunden wird, kann man nicht davon ausgehen, dass jeder Hörer ein gleiches Empfinden hat. Was sich für den Einen zu metallisch anhört, klingt für den Anderen gut.
Wenn ein Produkt dem Kunden gefällt wie es sich anhört, dann ist es richtig so, unabhängig aller Tests und Messungen.

Zum Schluß Hinweise für diejenigen, die sich bei der Auswahl ihrer Komponenten qualifizieren wollen: 

  1. Die Hörsession ist bei völliger Entspannung in einem von Nebengeräuschen unabhängigen Raum durchzuführen.
  2. Testhören mit eigenen gut bekannten Musikstücken. Dabei ist eine Favoritenliste per Stick, CD oder Streaming sehr hilfreich.
  3. Vergleich von maximal 3 Komponenten, entweder Lautsprecher, Verstärker oder Quellgerät. Eine höhere Anzahl von Vergleichsobjekten bringt wenig, da mit der Ermüdung die Objektivität leidet. 
  4. Ein Vergleich ist immer mit der gleichen Musikpassage durchzuführen. Dabei möglichst im  gleichen  Zeitabschnitt hören, eine Pause lassen, umschalten und eine andere Komponente hören.
    Das Umschalten sollte nach Möglichkeit eine zweite Person vornehmen, da ansonsten die Erwartungshaltung das Ergebnis beeinflussen kann.
    Der Hörer bleibt immer an der gleichen Position im Stereodreieck sitzen.
  5. Abhören mit immer der gleichen Lautstärke. Unser Gehör reagiert empfindlich auf Lautstärkeänderungen. Siehe dazu die Loudness Kurven. Mit unterschiedlicher Lautstärke wird der empfundene Frequenzgang beeinflusst.



Im Bild links ist die Frequenzabhängigkeit der Lautstärkewahrnehmung für unterschiedliche Lautstärken dargestellt, also welchen Pegel Töne unterschiedlicher Frequenz haben müssen, damit sie jeweils gleich laut wahrgenommen werden.





Alternativ kann als Referenz auch ein guter Kopfhörer benutzt werden.
Ebenso ist es möglich einen Lautsprecher mit Rosa Rauschen (PinkNoise) oder mit einem Gleitsinus zu beaufschlagen, der Ton sollte sich gleichmäßig und ohne Verfärbung anhören.  


HiFi Psyche
Nicht auszuschließen sind die persönlichen Befindlichkeiten und Ziele einiger HiFi Gourmets. Beispielhaft nennen wir einige Personen dieser Spezies: der Angeber, der Allwissende, der Röhren Freak, das HiFi Genie, der Spezialist, usw.
Von solchen Besserwissern sollten wir uns schnell trennen, da für diese Gurus nur ihre eigene Meinung zählt. Jegliche Hinweise einer objektiven Wahrnehmung sind hier fehl am Platze.
Siehe hierzu: Die Psychologie bei den Edel-HiFi Gourmets